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U2 Elevation Tour

Elevation Tour 2nd leg: Europe

: Waldbuehne - Berlin, Germany

View all performances at Waldbuehne, Berlin, Germany.

(venue website)


Auch Ehrlichkeit will geübt sein (german)

Jens Balzer (published on 2001-07-30)

Source: Berliner Zeitung

War das jetzt Punkrock? U2 gaben in der Berliner Waldbühne ihr letztes Deutschland-Konzert

Wer findet Worte? Wer beschreibt den Applaus, diesen Moment des explosionsartigen, alles übertosenden, wie eine Druckwelle über das Halbrund der Berliner Waldbühne hinwegfegenden Jubels? Und es braucht dazu nur einen Menschen mit einer Glatze, einer Brille und einem Kinnbart, der sich an einen Bühnenrand stellt und sagt: "Ich habe eine Nachricht für Euch. Die Söhne Mannheims fallen heute aus."
In diesem Moment der kollektiven, sich zur Entrücktheit hochschaukelnden Erleichterung sind einem die Zwanzigtausend, die an diesem schwülen Sonntag in die Waldbühne gepilgert sind, einen Moment lang sogar ein bisschen sympathisch. Jedenfalls erhält man eine Teilantwort auf die Frage, warum überhaupt zwanzigtausend junge Menschen in ein U2-Konzert pilgern und dafür auch noch über einhundert Mark pro Karte bezahlen: Sie taten es nicht, weil sie sich etwa für das U2’sche Erweckt-, Erwählt- und Erlöstheitspathos begeisterten, für den ganzen Christentumskitsch, der die irische Band doch so unterschiedslos mit Xavier Naidoo und seinen "Unser Zion heißt Mannheim"-Chorsängern vereint, die heute Abend nun doch nicht als Vorgruppe auftreten.

Für die zwanzigtausend Zuhörer an diesem Abend sind Jesus, der Papst und der liebe Gott nur dann ein Thema, wenn man deren Lob in Rock’n’Roll-Form singt: als ehrliche Musik von weißen Männern. So groß die Freude über den Ausfall der Vorgruppe ist, so herzlich beklatscht und belacht man dann deren Ersatz: einen aus dem Fernsehen bekannten Alleinunterhalter, der mal müde, mal schlüpfrige, mal müde und schlüpfrige Witze über andere ebenfalls aus dem Fernsehen bekannte Alleinunterhalter reißt - sich aber auch für ein paar Ausflüge in den heiteren Rassismus nicht schämt. So etwa bei der allenthalben bejohlten Klamotte über die "Negerbabys aus der Bronx", die den Rhythmus schon vor und während der Geburt dermaßen im Blut haben, dass sie auf der Entbindungsstation. nun ja, allerlei Dinge tun, die der Alleinunterhalter für belachenswert hält.

Auch "Disco-Fox-Tänzer" und sonstige Menschen, die sich gerne geschmeidig zu populärer Musik zu bewegen versuchen, werden zur allgemeinen Freude verhöhnt: Binnen Minuten hat der Komödiant, der das Programm improvisiert, aus seinem Publikum den gemeinsamen Humor-Nenner gekitzelt. Vielleicht, denkt sich der Betrachter, sind die Zwanzigtausend ja deswegen so von U2 begeistert, weil man sich zu deren Musik kaum anders als schunkelnd oder hüpfend bewegt? Eine Band für Hüftsteife, gewissermaßen?

Jedenfalls hat diese Band ihre halbherzigen Versuche, sich mit elektronischen Rhythmusmaschinen, Hip- und TripHop-Zitaten ein bisschen an der Entwicklung der elektronischen Tanzmusik zu beteiligen, auf ihrem neuesten Album vollständig fallen gelassen. Sänger Bono führte bei der Selbstinterpretation zuletzt am liebsten das Wort vom Punkrock im Munde, in dem die Musik seiner Band angeblich wurzelt. (Tatsächlich haben U2 ihre ersten Konzerte 1978 im Vorprogramm der Ramones absolviert, in Berlin gaben sie ihr Debüt 1981 als Support für die Psychedelic Furs.) Die neuen Lieder hat man sich wieder von Brian Eno und Daniel Lanois abmischen lassen, jenen Produzenten, die der Band Mitte der Achtzigerjahre zum Rock-Profil und damit zur musikalischen Massenwirksamkeit verhalfen.

"All That You Can’t Leave Behind" ist denn auch ganz als Bekenntniswerk gereifter Männer designt, die sich nach zehn Jahren Odyssee im Stil- und Weltbildereklektizismus des postmodernen Pop wieder auf die ehrliche Einfachheit des Rock’n’Roll rückbesinnen. Zwar schwebt der Gitarrist The Edge immer noch mit seinen unverwechselbaren, leider meist nur mäßig variierten Flageolette-Tupfern auf der Tonleiter hin und her. Heftig hat man hingegen dem Schlagzeug den Eindruck unbearbeiteter Unmittelbarkeit aufzupfropfen versucht: indem die Schlagfelle beispielsweise gerade um so viel zu locker eingeschraubt wurden, dass sie nach jedem der punktierten Viervierteltakte (die man vor zwanzig Jahren einmal als besonders druckvoll und treibend empfand) ruppig nachschnarren und -rauschen.

Für diese Rückkehr zum Elementaren hätte die Waldbühne eine gute Kulisse abgeben können: Ihr Sound ist so breiig und dumpf wie in einem durchschnittlichen Punkrock-Übungsraum. Auch brachten U2 neben nur wenigen neuen Stücken, etwa dem Gassenhauer "Beautiful Day", zur Freude des Publikums vor allem eigene Oldies zu Gehör: "With or Without You", "New Year’s Day" oder "Sunday Bloody Sunday", das beliebte Lied für Frieden und Freiheit in Irland - zu dem ein paar Trottel aus Berlin der Band dann ausgerechnet eine Union-Jack-Flagge entgegenreckten.

Dennoch blieb der gewünschte Eindruck des leidenschaftlichen Rock’n’Rollertums aus. Wesentlich lag dies an der monströsen Bühne, die mit einem herzförmig ins Publikum hineinragenden Steg noch unnötig vergrößert worden war.

Nicht nur Bono irrte hierauf unablässig durch die Masse zu seinen Füßen. Auch The Edge hatte seine Sägezahngitarre mit einem Funksender versehen und konnte nun in der ihm eigenen, leicht arhythmisch schunkelnden Art kabellos über den Herzchensteg schlendern - so dass er, obwohl zweifellos live bei der Arbeit, fünfzig Meter von den Verstärkern und der Rhythmussektion entfernt doch nur wie ein zum Playback mimender Gitarristendarsteller wirkte.

Zu keinem Zeitpunkt konnten U2 den Eindruck erwecken, als wären sie als Band auf die Bühne gekommen; im Gegenteil: Vier riesige Videoleinwände, auf denen man jeden Musiker einzeln in Nahaufnahme sah, verstärkten noch das schlechte Bild des indifferenten Nebeneinander. Was, wenn es richtiger Rock’n’Roll wäre, aus dem gemeinsamen Spiel und der Resonanz zwischen den elektrischen Geräten und ihren Verstärkern erwüchse, wurde hier allzu ersichtlich durch technische Tricks und das Abspielen von Noten ergaukelt.

Im Sinne des Wortes war dies also tatsächlich ein ehrliches Konzert: Es spiegelte unverfälscht das geübt Routinierte, das die U2’sche Musik charakterisiert. "Ehrlichkeit" als Rock’n’Roll-Pose wäre jedoch ebenso sorgfältig einzuüben gewesen - das haben die Band und ihre Berater offenbar schlicht übersehen. Es ist ja nicht nur so, wie der Titel des letzten Albums behauptet, dass man nicht alles, was man einmal überwunden glaubte, auch wirklich hinter sich gelassen hat. Es ist auch so, dass man nicht alles, was man einmal aufgegeben hat, ohne Anstrengung wiederbekommt.

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